Pressespiegel SPD-Besetzung
von Redaktion
Am 28.06.2015 besetzten Aktivisten der Identitäteren Bewegung Deutschland (IBD) zwei Parteizentralen der SPD: In Hamburg das Kurt-Schumacher-Haus und in Berlin das Willy-Brandt-Haus. Im Folgenden soll nun eine Darstellung des daraus resultierenden Medienechos stattfinden.
#Neuland fürs Establishment
Vor nicht allzu langer Zeit, mitten in der ersten Aufbruchsphase, nachdem aus Frankreich ein virales Video nach Deutschland übergeschwappt war, das hierzulande den Stein ins Rollen brachte, schaute man noch verächtlich auf die plumpen Gehversuche einer sich formierenden neuen politischen Bewegung. Jetzt, knapp zwei Jahre später wünscht man sich offensichtlich diese Zeit zurück: Dass eine neu-rechte, außerparlamentarisch-oppositionelle Organisation Zentralen einer BRD-Regierungspartei besetzt, will nicht so ganz in die mediale Schweigespiralenkultur passen, die sich das polit-mediale Establishment über die letzten Jahre aufgebaut hat.
Anders ist es kaum zu erklären, dass sich, nachdem man Lunte gerochen hatte, so gut wie jedes größere Blatt der Republik über die Aktion zu Wort meldete. In einem seltsamen Panorama von missmutiger Kenntnisnahme bis hin zu angewidertem Entsetzen war so gut wie alles vertreten. Auffallend dabei: Die völlige Unfähigkeit, sich adäquat mit dem Subjekt ihres Berichts zu befassen. Der Begriffs-Salat, der dabei entstand, wirft eine naheliegende Frage auf: Wie kann es sein, dass bei all dem Alarmismus „gegen Rechts“, bei all den steuerfinanzierten Aufklärungsmissionen und im Wochenrhythmus vor die Kamera gezerrten „Rechtsextremismus-Experten“ eine so simple Sache, wie die Kategorisierung einer politischen Organisation, so schwer zu fallen scheint?
Volksfront von Judäa oder Judäische Volksfront?
„Rechte“, „Rechtspopulisten“, „Rechtsextreme“, „Neonazis“, „Nazis“ „Braune Brut“. Alles war dabei. Wäre da nicht die taz gewesen, die ein wenig Sachkenntnis in das Geplärre einwarf, hätte niemand, der sich auf die Medienberichterstattung verlassen hat, erfahren, wer da eigentlich auf die SPD-Balkone geklettert ist. Einzig die linke Propaganda-Stube war in der Lage, das Etikett zu benutzen, das wir uns selbst beständig anheften: „Neurechts“. Gut, den Pulitzer-Preis wird die taz dafür sicher nicht verliehen bekommen (auch wenn wir es ihr wünschen würden; dann bräuchte sie wenigstens nicht so viel Geld für ihren neuen Journalistenpalast aus den Steuertöpfen „des Systems“ abzuzapfen), aber wenigstens unsere Anerkennung dafür soll sie erhalten, offenbar – im Gegensatz zu ihren Kollegen – einfach einmal unsere Texte und Stellungnahmen gelesen zu haben. Belletristisch belesen scheinen jene ja zu sein. So vermutet beispielsweise n-tv, dass die Inspiration der Identitären Bewegung aus dem aktuellen Roman von Michel Houellebecq stammt. [1] Selbstverständlich bezieht sich Houellebecq vielmehr auf unsere französischen Gefährten der Génération Identitaire – und nicht etwa umgekehrt.
Vermutlich aber wird gar nicht so sehr die mangelnde politische Bildung eines Großteils der deutschen Zeitungsredaktionen dafür verantwortlich sein, dass man die korrekte politische Einordnung einer Organisation nicht fertig bringt, die in ihrer Außendarstellung kein Geheimnis daraus macht, wo sie steht. Vielmehr biegt man sich hier – gar in vollem Bewusstsein – die journalistische Sorgfaltspflicht soweit zurecht, bis die Berichterstattung den nötigen abschreckenden Tenor erreicht. Wo sonst schlicht von „linken Aktivisten“ und im Extremfall auch schon einmal von „Autonomen“ die Rede ist, können neurechte Aktivisten nicht einfach genauso neutral benannt werden, wenn man seiner ideologischen Mission nachkommen möchte. Denn dass hinter dieser Art der Berichterstattung mehr die Absicht des politischen Exorzismus, als an der Realität orientierter Aufklärung steckt, wird nur allzu deutlich, wenn man sich die imaginären Querverbinden anschaut, die in den Artikeln über die SPD-Besetzung konstruiert werden: „Proteste gegen Flüchtlinge in Freital, ein brennendes Asylbewerberheim in Meißen, jetzt eine Aktion von Rechtsextremen im Herzen Berlins“. [2]
Die ideologische Befangenheit wird auch hier einmal mehr deutlich: Wer sich heute mit offenen Augen durch die Welt bewegt, wird zur Kenntnis genommen haben, dass diverse Probleme, die Europa derzeit heimsuchen, immer mehr Menschen dazu bringen, ihrem Unmut und ihrer Verzweiflung darüber Luft machen, dass die von ihnen zu diesem Zwecke gewählten Repräsentanten kaum bereit sind, daran etwas in ihrem Sinne zu ändern indem sie entweder auf die Straße gehen, rechte Parteien wählen oder sich im Internet oder Leserbriefen zu Wort melden. Dass es also nicht an einer Absprache der Asozialen aus Freital mit der IBD gelegen hat, dass letztere sich zu just diesem Zeitpunkt zum Protest in den SPD-Zentralen entschloss, sondern schlicht an einer Zuspitzung der politischen Verhältnisse in diesem Land, muss auch dem Spiegel eingefallen sein.
Eine Masseneinwanderung findet nicht statt
Doch der Spiegel stellt beim Phänomen des realitätsverweigernden Journalismus keine Ausnahme dar. Auch n-tv weiß zu berichten, dass die IBD eine „angebliche“ Masseneinwanderung mit ihrer Aktion thematisieren wollte. [3] Zugegeben: Es besteht semantischer Spielraum bei Begriffen relativer Mengenangaben. Doch wenn von 80,6 Millionen 16,3 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund haben und allein 2015 bisher im Rahmen von Asylverfahren 141.905 Menschen nach Deutschland kamen, wird man wohl, ohne sich der Übertreibung verdächtig zu machen, das Wort „Masseneinwanderung“ verwenden können. [4] [5] Das Handelsblatt beleuchtete diesen Zusammenhang Anfang diesen Jahres relativ nüchtern: „Deutschland hat 2014 die höchste Zuwanderung seit 22 Jahren verzeichnet. Das Statistische Bundesamt erwartet nach einer am Mittwoch veröffentlichten ersten Schätzung, dass die Zahl der Zuzüge nach Deutschland die Zahl der Fortzüge um mindestens 470.000 übertroffen hat. Noch höher war die Zuwanderung zuletzt 1992, als rund 782.000 Menschen zuwanderten. Damit wurden die Zuwanderungszahlen von 2013 nochmals übertroffen.“ [6] Ab wann wird Zuwanderung also zum Massenphänomen? Wir meinen – und damit stehen wir auch nicht allein -, dass dieser Zeitpunkt schon längst überschritten ist. Dies jedoch macht uns in Augen der landläufigen Medienberichterstattung zu Extremisten.
Aber gerade weil die IBD derart extrem ist, scheint es – gerade jetzt für den Spiegel notwendig zu sein, seine Leser ausgiebig des Umstandes zu vergewissern, dass in einigen Bundesländern der Verfassungsschutz sein behütendes Auge auf uns geworfen hat. [7] Dass z.B. die „Kommunistische Plattform“, der die allseits beliebte Sahra Wagenknecht bis 2010 z.T. in leitender Tätigkeit angehörte oder so gut wie jede Antifa-Gruppierung, die die zivilcouragierten „Gegen Rechts-“ oder „Blockupy“-Bündnisse bilden, ebenso vom Verfassungsschutz beobachtet werden, scheint die freiheitlich-demokratische Grundordnung weniger zu gefährden – weshalb dieser Umstand auch so gut wie nie Erwähnung findet.
Dass tatsächlich eine Bedrohung – nicht für die Verfassung – sondern für das Establishment von uns auszugehen scheint, belegt die Frankfurter Rundschau, die sich gleich an mehreren Stellen bemüht, die IB als völlig unbedeutende Polit-Sekte abzustempeln: Nicht nur eine „Splittergruppe“ (wovon abgesplittert?) sondern auch gleich noch eine „rechte Kleinstgruppierung“ seien wir. Dazu will aber der folgende Abschnitt ihres Artikels nicht ganz passen: „Fotos der Aktion hatten unter dem Stichwort #DerAustausch [sic] am Sonntagabend schnell weite Verbreitung über soziale Medien gefunden und zählten etwa auf Twitter kurzzeitig zu den meistverbreiteten Politik-Themen.“ Wer es schafft, derart viele Multiplikatoren für seine Aktionen zu mobilisieren, kann kaum eine „Kleinstgruppierung“ sein. Auch hier scheint die relative Mengenangabe in einen sehr großzügigen Rahmen eingebettet worden zu sein.
Die gelben Bataillone
Richtig skurril ging es allerdings im Berliner Kurier zu: Unter dem Titel „Braune Brut bei den Roten“ schießt die ehrwürdige Zeitung den Vogel ab: „Rechter Sturm auf die SPD-Zentrale. Mehrere Aktivisten der „Identitären Bewegung“ überrumpelten die Wachleute und erklommen den Balkon im ersten Stock.“ Was sich wie ein SA-Groschenroman aus längst vergangener Zeit liest, wird für den Berliner Kurier unter Umständen noch ein rechtliches Nachspiel haben.
In das gleiche Horn trötete dann aber sogar noch die SPD selbst in ihrer Hauspostille vorwärts: „Mitglieder der „Identitären Bewegung Deutschland“(IBD) platzieren politische Statements im Stile von Überfallkommandos und jagen diese durch die sozialen Netzwerke.“ [8]
Dass derlei Hetze die dauerempörten Gewalttäter der Antifa nicht unmotiviert zurücklässt, zeigte sich bald darauf: In einem Artikel auf der wichtigsten szene-internen Plattform der extremen Linken in Deutschland fand sich gestern ein Bekennerschreiben zu einem Angriff auf das Wohnhaus eines vermeintlichen Hamburger IBD-Aktivisten: Als direkte Antwort auf die Besetzung in Hamburg wurden Farbbeutel auf die Fassade geworfen. Die Haustür wurde, wie es in der autonomen Fachsprache heißt, „entglast“. Zusätzlich wurde vorsichtshalber noch der Arbeitsort und die Privatanschrift des Opfers veröffentlicht. [9] Das größte Problem an diesem Vorfall ist, neben dem jede Verhältnismäßigkeit vermissen lassenden Angriff auf das Privatleben eines Anderen, dass dieser zudem noch ein Unbeteiligter ist: Die Information, die die Antifa-Bande dazu bewegte, ihren Überfall zu begehen, ist nicht aktuell. Der junge Herr, den man sich als Opfer auserkoren hatte, verkehrt längst nicht mehr in IB-Kreisen. Kollateralschaden mal von links. Wo Klassenkampf ist, da fliegen eben Späne.
Wir machen weiter.
[1] http://www.n-tv.de/politik/Rechtspopulisten-besetzen-SPD-Zentralen-article15401536.html
[3] http://www.n-tv.de/politik/Rechtspopulisten-besetzen-SPD-Zentralen-article15401536.html
[8] http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/wof-r-die-identit-ren-wirklich-stehen
[9] https://linksunten.indymedia.org/de/node/147126/unfold/149498#comment-149498