Gedanken zur Fortschrittslehre – Teil I
Von Redaktion
Es ist heute allgemeiner Konsens, dass der Fortschritt eine gute Sache ist. Man steht gerne für den Fortschritt und wer sich ihm verweigert, ist Bremser, rückständig und wird früher oder später auf der Strecke bleiben. Der Fortschritt ist Fakt und nichts kann ihn aufhalten und warum auch? Wir möchten uns in diesem Artikel einmal genauer mit der Terminologie der Fortschrittslehre beschäftigen. Hinter der Idee jeder Modernisierung steht der Fortschrittsgedanke. Er hat seinen Ursprung in den Weltanschauungen der Geistes- und Naturwissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, als Fortschritt, Entwicklung und Wachstum zu unumstößlichen Paradigmen in den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und sozialen Bereichen wurden. Die Grundsätze dieses Gedankens sind allerdings schon wesentlich älter. Bereits in der Bibel wird ein linearer Verlauf der Menschheitsgeschichte vom Garten Eden bis zur Apokalypse gezeichnet. Die lineare Zeitvorstellung im Christentum verdrängte das zyklische Geschichtsbild und formuliert ein Ende der Geschichte auf das wir uns unaufhaltsam zubewegen. Für die griechische Antike gab es nur die Unvergänglichkeit in der sich Aufstieg und Untergang, Fortschritt und Verfall innerhalb eines zyklischen Kreislaufes ereigneten. Mit dem Christentum bewegte sich die Menschheit als Einheit mit einer zwangsläufigen Entwicklung zu einem Punkt, der in der Ewigkeit seine Vollendung finden wird, diese Ewigkeit existiert aber nicht auf dieser Welt und hat für sie auch keine Geltung.
Die Fortschrittslehre säkularisierte dieses lineare Geschichtsverständnis und den Gedanken, dass sich die Menschheit als Einheit in eine Richtung bewegt. Alle Ideologien des 20. Jahrhunderts nahmen diese Lehre in unterschiedlicher Weise auf. Sie gingen alle davon aus, dass der Mensch sich im Namen des Fortschritts auf eine bestimmte Zukunftsutopie zubewegen muss. Sie sahen im Fortschritt eine geschichtliche Unumgänglichkeit, die alles aus dem Weg räumen wird. Im Menschen und in der Welt sahen sie das Formbare, was in diesem Sinne verändert, verbessert und perfektioniert werden muss.
Im Liberalismus ist dieser Gedanke die Vereinigung der Welt in Form eines Marktes. Der stetige Überlebenswettkampf aus der Evolutionslehre soll im Liberalismus durch ökonomische Mittel ausgetragen werden. Die effizientesten Mitstreiter selektiert der Markt heraus. So ist gewährleistet, dass die fortschrittlichsten Wirtschaftsteilnehmer den größten Einfluss erlangen und die Entwicklung und das Wachstum vorantreiben, das angeblich allen zu Gute kommt. Das Ergebnis ist die Herrschaft der Reichen. Jedes Volk, das sich nicht erfolgreich an diesem Prozess beteiligt wird als rückständig angesehen und die Folgen für die, die auf der Strecke bleiben, sind im Namen des Fortschritts als legitim anzusehen. Alle Völker, die dem globalen Markt und seinen gesellschaftlichen Veränderungen entgegenstehen, müssen weichen.
Für den Kommunismus lief der Fortschritt durch verschiedene Stadien einer Menschheitsentwicklung, die hier ebenfalls als einheitlich angesehen wurde, zur weltweiten Herrschaft des Proletariats. Dazu müssen alle Völker dieselben sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen vollziehen und schließlich revolutionär werden und die Bourgeoisie vernichten. Der Endzustand der Geschichte vollzieht sich dann durch den weltweiten Sieg des Kommunismus. Der Kapitalismus ist dabei nur eine Vorstufe, die es für das Ziel der klassenlosen Gesellschaft zu überwinden gilt. Das Ergebnis dieses Experiments und seine mörderischen Folgen kennen wir: Der Kommunismus ist gescheitert.
Im Nationalsozialismus ist laut Hitler der Siegeszug der besten Rasse die Vorbedingung zu allem menschlichen Fortschritt. Es ist von einer menschlichen Kultur und nicht von Kulturen die Rede. Diese menschliche Kultur stammt einzig vom Arier, der sie als Kulturbegründer durch seine Herrschaft über die lediglich als Kulturträger fungierenden restlichen Völker weltweit verbreiten muss. Auch hier wird damit Argumentiert, dass dies für die Menschheit das Beste sei. Die dritte Kategorie, in die die Völker eingeteilt wurden, der Kulturzerstörer, bleibt bei diesem Fortschritt permanente Gefahr; für ihn ist in der Zukunftsutopie der Nationalsozialisten kein Platz. Ziel ist auch hier der Endzustand der Geschichte durch die Welthegemonie der weißen Rasse. Auch der Nationalsozialismus ist besiegt und hatte katastrophale Folgen.
Übrig bleibt die als erste beschriebene Version der Fortschrittslehre des Liberalismus, auf die im nächsten Teil des Artikels weiter eingegangen wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst 2014 auf dem Blog www.identitas-gemeinschaft.info, welcher mittlerweile nicht mehr existiert.