Die nicht allzu geheimen Chiffren des schlechten Journalismus. Zur Videoreportage des „Stern“
Alles neurechts oder was? Die nicht allzu geheimen Chiffren des schlechten Journalismus
Irgendwie ist er falsch abgebogen. Diesen Eindruck bekommt man, wenn man sich die Videoreportage [1] „Getarnte Nazi-Symbolik: Die Codes der neuen Rechten“ des Stern-Journalisten Martin Thiele ansieht, in der nicht nur die Begrifflichkeiten bunt durcheinandergewürfelt, sondern auch politische Strömungen, die qua Weltanschauung überhaupt nichts miteinander zu tun haben, vermengt werden.
Da schreibt er von neurechts, wenn er altrechts meint, oder von rechtsradikal [2], einer von der Verfassung geduldeten Strömung, wenn er extremistische Netzwerke und deren verbotene Symbolik anführt. Ohne seinen Hintergrund zu kennen, könnte man diese „Reportage“ für das Erstlingswerk eines Volontärs halten.
Thiele ficht das jedoch nicht an, wenn er von Nazicodes fabuliert, diese in KFZ-Kennzeichen der AfD „findet“ und dazu noch Demonstrationen von PEGIDA einblendet. So scheint es seinem Verständnis von journalistischer Sorgfaltspflicht auch nicht zuwiderzulaufen, wenn er Fackelmärsche der verbotenen Organisation „Spreelichter“ zeigt und diese der IB zuordnet. Dass sich die IB inhaltlich, theoretisch und auch praktisch vom Nationalsozialismus und seiner Symbolik distanziert, wird ihm nicht entgangen sein.
Und so ist die Verquickung dieser Zusammenhänge entweder völliger Unfähigkeit oder Böswilligkeit geschuldet. Getreu dem Motto eines neuen journalistischen Verständnisses „Wenn man nur lange genug mit Dreck wirft, bleibt immer etwas hängen“ hängt Martin Thiele die Messlatte journalistischer Qualität beim „Stern“ wieder ein Stück tiefer. Es gelingt ihm, auch die geringen Erwartungen, die man inzwischen an dieses Magazin hat, noch zu unterlaufen.