Der Verfassungsschutz und die Identitäre Bewegung – Einblicke aus dem Verfahren (Teil 02)
Dass der Verfassungsschutz als eine politisch instrumentalisierte Behörde mit ideologischem Geltungsdrang betrachtet werden kann, haben wir bereits an mehreren Stellen in der Vergangenheit ausgeführt. Mit besonders gutem Willen könnte man der Behörde und seinen juristischen Vertretern noch ein fahrlässiges Missverstehen unterstellen, doch der Verlauf der ausgetauschten Schriftsätze zwischen den unterschiedlichen juristischen Parteien in dem VS-Verfahren gegen die IBD verdeutlicht ein sehr bewusstes und gewolltes Missverstehen und die Festlegung ideologischer Prämissen, die jeglicher argumentativen Logik widersprechen. Folgender Artikel soll weiter darüber aufklären, dass der Begriff „Verfassungsschutz“ ein reiner Euphemismus ist. Es handelt sich hierbei um einen politisch motivierten Inlandsgeheimdienst, der von den Regierenden am Rande des Rechtsstaates eingesetzt wird, um politische Gegner zu kriminalisieren, sozial zu ächten und auf höchst undemokratischer Art und Weise zu verfolgen.
Im Laufe des Verfahrens wurden inzwischen sogar Zugeständnisse und Richtigstellungen aus früheren Schriftsätzen revidiert und die politische und auch wissenschaftliche Debatte über einen ethnokulturellen Volksbegriff noch weiter verengt. So wurde etwa vor einigen Jahren noch eingestanden, dass der Staat unter anderem auch kulturelle Aspekte von schwer integrierbaren Einwanderergruppen in seine Migrationspolitik mit einbeziehen kann. Nun stellt der Verfassungsschutz allein auf den Aspekt der „individuellen Integrationsfähigkeit“ ab und negiert damit die Tatsache, dass Migrationspolitik immer auch abstrakte Erfahrungswerte, statistische Verteilungen, Signifikanzen und Evidenzen mit einbeziehen muss. Wir kennen die BKA-Jahresberichte zur Aufschlüsselung nach ethnischen Tätergruppen. Wir kennen die kulturellen Spektren in bestimmten Weltregionen, die sich zum Teil wesentlich von den kulturellen, sozioökonomischen und zivilisatorischen Merkmalen in Europa unterscheiden. Selbst der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt äußerte sich im Jahre 2010 in einer Maischberger-Sendung, dass die Zuwanderung aus verwandten Zivilisationen wie Polen, Tschechien, Italien und Österreich problemlos sei. Die Zuwanderung aus Afghanistan bringe „(…) jedoch erhebliche Probleme mit sich“ (Schmidt).
In sämtlichen wissenschaftlichen Disziplinen wie der Kriminologie, Soziologie, Ethnologie, Anthropologie und Politikwissenschaften werden Verhalten, Merkmale und Einstellungen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Gruppen analysiert und in Bezüge, Vergleiche und Verhältnisse gesetzt. Dieses Wissenskapital muss selbstverständlich auch als Erkenntnisgrundlage von Entscheidungsprozessen der Migrationspolitik integriert werden können. Der Verfassungsschutz will jedoch die wissenschaftliche Evidenz von der Differenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen und der politischen Dimension in Fragen der Einwanderungspolitik und Staatsbürgerschaft trennen. In der eindimensionalen VS-Vorstellungswelt ist eine Einwanderungssteuerung nach ethnischen und/oder kulturellen Indikatoren per se verfassungsfeindlich.
Noch deutlicher wird dies, wenn das Berliner Verwaltungsgericht im Urteil gegen die Identitäre Bewegung, diese Linie sogar soweit verschärft, dass allein schon die nüchterne Vorstellung ethnokultureller Kategorien im Verständnis des Volksbegriffes verfassungsfeindlich seien. Demnach ist eine aktive politische Zielsetzung im Zusammenhang mit dem ethnokulturellen Volksbegriff gar nicht mehr erforderlich. Es reicht die bloße Überzeugung und Bekundung einer deskriptiven Feststellung, dass ein Volk AUCH von ethnokulturellen Merkmalen bestimmt werden kann. Der Verfassungsschutz beschränkt den Volksbegriff lediglich auf einen verwaltungsrechtlichen Horizont, was jedoch allein schon historisch inkongruent sein dürfte.
Wenn also die ethnokulturelle Dimension aus der begrifflichen Vorstellung des Volksbegriffes getilgt wird, bleibt am Ende nur noch ein politischer Diskursrahmen von der Summe aller Staatsbürger in einem abstrakten Siedlungsgebiet. Offensichtliche ethnische und kulturelle Veränderungen in der Zusammensetzung des deutschen Volkes verlassen dadurch den Raum politisch legitimer Debatten, da sie jederzeit mit dem Stigma der Verfassungsfeindlichkeit belegt werden könnten. Dabei sind die ethnokulturellen Transformationen der letzten 20-30 Jahre mehr als offensichtlich. Der Ausländeranteil hat sich seit 1990 verdoppelt. 1970 lag der Ausländeranteil noch bei ca. 4%, heute bei fast 12%. Jeder vierte hat inzwischen Migrationshintergrund. Etliche staatlich geförderte Institutionen von NGO‘s bis Universitäten, Parteien und Kulturschaffenden haben längst ein neues identitätspolitisches Paradigma von den „Neuen Deutschen“ gestreut. Die Ideologien von „Diversität“, „Buntheit“ und „Vielfalt“ produzieren das bewusste Bild einer mulikulturellen und multiethnischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert, die zur Durchsetzung eines bestimmten ideologischen Leitbildes dient. Ob bewusst oder unbewusst wird dieses linke Milieu vom Verfassungsschutz und Gerichten mit rechtswirksamer Kraft auch noch sekundiert. Das Ziel dieser Ideologen besteht aber nicht darin, für die gesetzlichen Grundlagen der Einbürgerungsbestimmungen und des Staatsangehörigkeitsrechts zu sensibilisieren, sondern ein neues kulturelles, soziales und politisches Leitbild vom deutschen Volk zu etablieren.
Konsequent zu Ende gedacht ist der Widerspruch gegen diese Ideologie in Zukunft immer mit dem Stigma der Verfassungsfeindlichkeit verbunden. Dabei dürfte unbestreitbar sein, dass es derartige Diskurse über das Verständnis vom deutschen Volk in der frühen BRD der 50er – 70er Jahre überhaupt nicht gab. Natürlich galten auch schon damals die gängigen Einbürgerungsbestimmungen und das Staatsangehörigkeitsrecht. Aber die Veränderungen und zivilgesellschaftlichen Diskurse, mit denen wir heute konfrontiert werden, gab es damals in dieser Form nicht und dem Staat wird heute jegliche politische Flexibilität genommen, um bspw. im Rahmen einer größeren Einwanderungsbewegung aus Afrika adäquate Maßnahmen zu treffen, wenn die Differenzierung zwischen dem Staatsvolk und deutschen Volk als historisch und narrativ gewachsene Gemeinschaft genommen wird.
Der Verfassungsschutz macht in einem seiner letzten Schriftsätze schließlich deutlich, dass die Probleme einer die „Integrationsfähigkeit übersteigenden Migration, nicht dazu führen dürften diese Migration nach ethnischen Kriterien gestalten zu können“. Niemand spricht davon, die Migrationspolitik ausschließlich an ethnokulturellen Faktoren auszurichten. Es geht schließlich immer auch um Relationen, Verhältnisse und Bezugsgrößen. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob der Verfassungsschutz als ausführendes Organ der Regierungsparteien überhaupt migrationspolitische Steuerungsinstrumente für zulässig hält, die sich nicht nur an ökonomischen Interessenlagen, sondern auch kulturellen Erhaltungszwecken und der sozialen Befriedung von gesellschaftlichen Konflikten ausrichten. Damit müsste aber unweigerlich ein Betrachtungsfeld der ethnokulturellen Kompatibilität eröffnet werden, bei dem der Verfassungsschutz vermutlich wieder hellhörig werden würde.
Der Verfassungsschutz schafft mit der Kastration der ethnokulturellen Identität aus dem Begriffshorizont vom „Volk“ eine bewusste Vernebelung und logische Inkongruenz. Das Staatsvolk ist ein eigenständiger Träger, der die Rechte und das Zusammenleben auf verwaltungsrechtlicher Ebene reguliert. Es ist der Anknüpfungspunkt, über den demokratische Partizipationsmöglichkeiten, Grund- und Schutzrechte und staatliche Versorgungsgüter in Anspruch genommen werden können. Jedes Staatsvolk, also auch das deutsche ist ein komplexes, kulturelles Konglomerat mit einer einzigartigen Identität. Entscheidend sind Faktoren wie genealogische Traditionslinien, gemeinsames historisches Bewusstsein in einem jahrhundertealten, geprägten Heimatraum, kulturelle Ursozialisierung, Sprache und ein generationsübergreifendes Identitätsverständnis des eigenen Seins.