Der Nahost-Konflikt und die Frage nach Remigration
Ist der Nahost-Konflikt ein Beschleuniger für eine Politik der Remigration?
Kaum ein anderes Thema bestimmt derzeit die öffentliche Debattenlandschaft intensiver als der Israel-Palästina Konflikt. Inzwischen sind die gängigen Rituale der Betroffenheitsfolklore und ins Leere laufenden Solidaritätsinteressen einstudiert und vielfach geübt worden.
Schon der Russland-Ukraine Krieg hat weite Teile der Bevölkerung gelehrt, dass es in der Debattenkultur im Jahr 2023 keineswegs mehr nur um neutrale Positionen gehen kann. Das Bekenntnis muss stets absolut und ohne Abstriche gelten und im besten Falle steht man lieber direkt auf der richtigen Seite. So auch im aktuellen Nahost-Konflikt bei dem die strukturellen Kommunikations- und Propagandamuster des Russland-Ukraine Kriegs nur in das neue sogenannte „Current Thing“ übernommen wurden.
Wir wollen an dieser Stelle weder eine moralische noch geopolitische Bewertung des Schlachtfeldes im Gaza-Streifen vornehmen. Nur soviel sei festgehalten: Die Hamas führt einen mit viel Brutalität aufgeladenen Guerilla-Krieg gegen Israel, der sich in der Logik der Islamisten aus der Rache für die Gebietsverluste und die permanenten Unterdrückungen und Entrechtungen der Palästinenser folgt. Israel verteidigt seine Staatsidee und seine Bevölkerung – mit militärischer Überlegenheit und auch expansiven Willen. Man kann im Verhalten beider Konfliktparteien allein aufgrund der Vorgeschichte zu unterschiedlichen moralischen Bewertungen kommen. Fest steht: Wir sehen im Nahost-Konflikt vielseitige Interessenlagen, die man nur im komplexen Zugang auf historische, religiöse, soziale und politische Kontextualisierungen vollständig erfassen kann. Nicht umsonst gilt der Nahost-Konflikt als Endgegner und Königsdisziplin in der Diplomatie- und Friedensforschung.
Der Nahost-Konflikt wird aber nicht nur 4000km entfernt ausgetragen, sondern ist innerhalb von wenigen Tagen auch in der Bundesrepublik zu einer innenpolitischen Kampfzone geworden. Vor allem scheinen die europäischen Gesellschaften gerade ein Rendezvous mit der multikulturellen Realität zu haben. Für manche etablierte Politiker und Medienschaffende könnte die Überraschung kaum größer sein, dass der Import von Hunderttausenden arabischstämmigen Menschen, die zuvorderst aus Ländern mit israelkritischen Grundhaltungen, hierzulande dann doch nicht zu großen Israel-Freunden werden.
Diese Menschen werden tatsächlich nicht zu liberalen und staatsbürgertreuen Verfassungspatrioten, die plötzlich mit jeder Faser ihres Körpers das Existenzrecht Israels verteidigen würden. Die ethnokulturellen Loyalitätsbeziehungen bleiben fest in der ursprünglichen Herkunftsidentität verankert.
Allein in den letzten Tagen versammelten sich in Neukölln tausende arabischstämmige Menschen, die für Palästina und gegen das in ihrer Wahrnehmung begangene Unrecht Israels demonstrierten. Ähnliche Menschenansammlungen wird man in diesen Gruppen wohl kaum für innerdeutsche Politikangelegenheiten wahrnehmen. Das ist von Seiten der Araber auch ein verständliches Verhalten.
Wo die Deutschen sich jeglicher ethnokulturellen Selbstbehauptung kastriert haben, entsteht ein Vakuum welches mit den selbstgewissen Hyperidentitäten der Araber gefüllt wird. Ihr Alltag und ihr Lebenskompass, ist an ein bestimmtes kulturelles Milieu gebunden. Sie sind gegenüber ihrer Familie, dem Koran und gegenüber ihrer Tradition loyal. Aber gegenüber einem fremden Staat wie Israel, der in ihren Heimatländern als erbitterter Feind gesehen wird? Gewiss nicht!
Der Nahost-Konflikt zeigt einmal mehr, dass multikulturelle Gesellschaften kaum einen tragfähigen Loyalitäts- und Wertekonsens herausbilden können. Ihnen fehlt das gemeinsame Band eines ethnokulturellen Verständnishorizonts, eines geteilten historischen Bezugsrahmens, über den sich ein gemeinsames Schicksal definiert. Liberale Gesellschaften können Loyalität nur als vertragliche Angelegenheit verstehen. Sie müssen künstliche Sinnbilder und überregulierte Rechtsordnungssysteme schaffen, die das natürliche kulturelle Konfliktpotential einhegen und begrenzen. Die Fragilität dieser Systeme zeigt sich dann am Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Werte- und Moralvorstellungen. Der bundesrepublikanische Konsens erwartet die bedingungslose Solidarität mit Israel. An den derzeitigen Demonstrationen und Ausschreitungen in migrantischen HotSpots wie Berlin-Neukölln zeigt sich dann jedoch die gesamte Brüchigkeit dieser illusorischen Vorstellung eines multikulturellen Zusammenlebens. Man kann es auf die eingängige und bekannte Formel der früheren Reporterlegende Peter Scholl Latour bringen:
„Wer halb Kalkutta aufnimmt, der hilft nicht Kalkutta, sondern der wird am Ende selbst zu Kalkutta.“
Bemerkenswert und bisher einmalig dürften zuweilen die ersten politischen Reaktionen auf diese Anti-Israel Protest im Inland sein. Von Passentzug, Migrationsbegrenzung bis hin zum Israel-Bekenntnis als Bedingung für die Staatsbürgerschaftsvergabe haben wir eine ganze Palette von Forderungen, die vor wenigen Wochen vom Verfassungsschutz unter anderen Voraussetzungen als „rechtsextrem“ deklariert worden wären.
Nach der Silvesternacht in Köln 2016, nach Stuttgart, nach den Vergewaltigungen und Morden an jungen Frauen, nach Silvester 2022 in Berlin-Neukölln hatte man diese Forderungen in dieser Schärfe nicht gehört. Umso wichtiger ist es jetzt, dass aus dem Platzen der multikulturellen Traumblase auch die richtigen Konsequenzen gezogen werden und wir endlich einer Politik der Remigration näherkommen. Die Kampfzone des Nahost-Konflikts ist durch die Massenzuwanderung der letzten Jahrzehnte inmitten unserer Städte präsent geworden. Dort hat sie jedoch nichts verloren, unabhängig von einer allgemeinen Meinungsbildung zur Nahost-Frage, die natürlich auch das politischen Handeln Israels kritisieren darf. Das was wir jedoch auf unseren Straßen erleben ist Ausdruck des Aufeinandertreffens verschiedener ethnokultureller Identitätsblöcke. Das Austragen des Nahost-Konflikts ist am Ende nur eine Chiffre und symbolische Vollendung für die Instabilität und Dysfunktionalität der multikulturellen Gesellschaft.
Wir sind weder Team Kippa noch Palituch. Unsere Reaktion auf diesen Konflikt kann nur die Konzentration auf die eigenen Handlungsspielräume sein, die im Schutz unserer Grenzen und einer Politik der Remigration liegen.